Digitalisierung und Konzernmacht in der Landwirtschaft

Köln, 11.10.18

Digitalisierung ist in aller Munde. Auch die Landwirtschaft ist davon betroffen. Welche Auswirkungen und Bedeutung dies hat und haben wird war Thema einer Podiumsdiskussion am 11.10.18 in Köln. Ein Anlass war die von den Nichtregierungsorganisationen ETC Group, INKOTA-netzwerk, GLOCON und Rosa-Luxemburg-Stiftung neu herausgegebene Studie „Breaking the Chain – Konzernmacht und Big-Data-Plattformen im globalen Ernährungssystem“. Schwerpunkt dieser Studie ist die steigende Macht von landwirtschaftlichen Konzernen durch Digitalisierung und Sammlung großer Datenmengen vom Feld bis zum Teller. Philipp Mimkes (FIAN) moderierte die Diskussion mit den drei folgenden Sprechern auf dem Podium:   

Der Träger des alternativen Friedensnobelpreises, Pat Mooney (ETC Group), nannte einige Beispiele für die zunehmende Konzernmacht durch „Big-Data-Plattformen“: Landmaschinen-Konzerne wie John Deere, die selbstfahrende oder mit Sensoren und GPS ausgestattete Traktoren produzieren, sammeln sehr sensible Daten von der Aussaat und Düngung bis zur Ernte und wissen somit genau, welche Betriebsmittel eingesetzt werden und was an Ernte rauskommt. Flugzeugdrohnen kontrollieren auf Palmölplantagen in Malaysia und Indonesien nicht nur illegale Rodungen und Schädlingsbefall, sondern auch Arbeiter. Wenn der Preis für Stevia bei Bauern in Paraguay zu hoch ist, würde Cargill synthetisch produzierten Stevia aus der Schweiz beziehen, sodass die Bauern großer Konkurrenz ausgesetzt sind. Konzerne sequenzieren verstärkt die DNA von Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen, analysieren sie auf interessante Merkmale und patentieren diese dann. Um Daten entlang der gesamten Produktionskette sammeln, analysieren und kommerziell nutzen zu können, werden in Zukunft  Konzerne von Pflanzenschutzmitteln und Düngemitteln, Saatgut, Rohstoffhändlern, Landmaschinen und Lebensmitteleinzelhandel immer stärker fusionieren. Diese vertikalen Zusammenschlüsse bedeuten Marktdominanz und Einfalt und werden die bäuerlichen Betriebe immer weiter an den Rand drängen.

Gregor Kaiser aus dem Vorstand der AbL NRW äußerte sich folgendermaßen: „Melkroboter, Transponder um den Hals von Kühen und die automatische Regulation des Stallklimas bedeuten heute schon Arbeitserleichterungen für Bäuerinnen und  Bauern. Die landwirtschaftliche Arbeit verlagert sich immer  mehr ins Büro – das muss man wollen und auch können. Durch die Digitalisierung sind Bauern dann aber weniger selbst am Beobachten von Tieren oder Abschätzen des Humusgehaltes, was auch als Eingriff in ein selbstbestimmtes Arbeiten wahrgenommen werden kann. Bauern und Bäuerinnen müssen über ihre Daten selbst entscheiden können. Wenn die Daten offline gesammelt werden, können wir über die Weitergabe der Daten selbst entscheiden – und dann kann vieles an Digitalisierung hilfreich sein.“ Fraglich ist aus seiner Sicht, ob Dünger und Pestizide durch Precision Farming effektiver genutzt werden, denn Konzerne wollen mit den Inputs auch Geld verdienen. Wenn Roboter Mitarbeiter zum Unkrauthacken ersetzen, werden zunehmend weniger Menschen auf dem Land leben und arbeiten. Die AbL wird auch weiterhin Widerstand leisten gegen die Konzernmacht und fordert unter anderem die Kennzeichnung von Gentechnik, keine Patente auf Lebewesen und keine Nachbaugebühren.“

Jan Urhahn vom INKOTA-netzwerk berichtete, dass aktuell weltweit 821 Millionen Menschen hungern würden und etwa 2 Milliarden Menschen mangelernährt seien. Er kritisierte, dass die Digitalisierungstechnologien der industriellen Landwirtschaft oftmals als Mittel zur Bekämpfung des Hungers genannt werden, obwohl sie die Probleme verschärfen werden. Eine kleinbäuerliche Landwirtschaft mit geringem Rohstoff- und Energieverbrauch ernährt mehr Menschen als eine industrielle Landwirtschaft. Durch „Big-Data-Plattformen“ werden große, effiziente Agrarbetriebe kleinere verdrängen und zu größeren Abhängigkeiten führen. Er forderte ein stärkeres internationales Wettbewerbsrecht zur Verhinderung von Konzernmacht. In Deutschland sollten auch Umweltverbände und zivilgesellschaftliche Akteure vermehrt in die Diskussion über Digitalisierung integriert werden.