„Dickkopfweizen“ und „Champagnerroggen“

Tagung über alte Getreidesorten und Populationen der AbL NRW

 

Besondere Brote aus Emmer und der alten Sorte „Champagnerroggen“ von der Bäckerei Tollkötter aus Münster konnten bei der Tagung „Bäuerliche und alte Sorten/Arten im Ackerbau“ verkostet werden, die im Rahmen des Projektes „Saatgut: Vielfalt in Bauern- und Gärtnerhand der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft Nordrhein-Westfalen (AbL NRW) am 21.-22.2.19 in Hamm veranstaltet wurde. Zu sehen waren auch Getreidetüten mit Nackt-Hafer und der alten Sorte „Tschermaks Sommerweizen“, die der Biohof Walz aus Bayern auch im Internet verkauft.

Bayerische Getreidesorten

Bei der Veranstaltung stellten sich drei Projekte vor, die sich für Anbau und Nutzung alter Getreidesorten einsetzen. Klaus Fleißner von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL Bayern) hat in der Genbank Gatersleben nach alten bayerischen Sorten bei Getreide, aber auch Kulturen wie Ackerbohnen und Lein gesucht. Die 750 gefundenen Sorten werden nun auf ihre Anbau- und Backeigenschaften untersucht und Saatgut an „Schatzbewahrer“ vermittelt: Landwirte, Museen und Privatpersonen mit mindestens 100 m² Anbaufläche.

Große Stroherträge

Die Kornerträge von alten Sorten sind normalerweise geringer als bei modernen Sorten, wobei die großen Stroherträge durch die langen Halme nicht vergessen werden dürfen. An der LfL Bayern zeigten die alten Winterweizensorten im konventionellen Anbau Parzellenerträge von durchschnittlich 37 dt/ha (Vergleichssorte Elixer 63 dt/ha) und variierten zwischen 24 und 53 dt/ha. Beim Winterspelzgetreide (Dinkel und Emmer) lagen die Erträge bei durchschnittlich 43 dt/ha (Vergleichssorten: Oberkulmer Rotkorn 33 dt/ha, Zollernspelz 58 dt/ha, Franckenkorn 64 dt/ha) mit minimal 33 dt/ha und maximal 49 dt/ha. „Es gibt einige alte Sorten mit guten Backeigenschaften“, so Fleißner: Bei zehn der Winterweizensorten schwankten die Rohproteingehalte von 9,4-17,9% und die Fallzahlen von 197-376s.

Länger grün

Der „Verein zur Erhaltung und Rekultivierung von Nutzpflanzen in Brandenburg“ (VERN) beschäftigt sich neben Getreide auch mit Gemüse, Obst und Zierpflanzen. Als Vorteile der langen Halme nannte Rudolf Vögel vom VERN, dass weniger Pilze die hoch über dem Boden stehenden Ähren erreichen würden und die gute Unkrautunterdrückung. Der Winterweizen beim VERN sei weitestgehend resistent gegenüber Gelbrost. Auffällig sei gewesen, dass im letzten Dürresommer die alten Sorten länger grün geblieben seien als die modernen Sorten. Der Anbau sei jedoch herausfordernd, da die Sorten züchterisch nicht an unsere heutige Landwirtschaft angepasst seien und weniger Anbauerfahrungen beständen. Gyso von Bonin, BIO-Landwirt vom Gut Körtlinghausen, äußerte, dass er auf Krankheitsresistenzen wie Steinbrand in modernen Sorten nicht verzichten wolle. Alte Sorten seien jedoch „frei“, da sie keine Nachbaugebühren hätten. Er sprach sich für „Aufbereitungsmaschinen in jedem Dorf“ aus, um unabhängiger bei der Getreidereinigung zu sein.

KULAP

Seit 2000 fördert das Land Brandenburg den Anbau seltener und gefährdeter Kulturpflanzensorten über das Kulturlandschaftsprogramm (KULAP). Teilnehmende Landwirte verpflichten sich mindestens fünf Jahre Sorten der Roten Liste der gefährdeten Kulturpflanzen anzubauen und erhalten dafür 196 €/ha (max. 10 ha pro Sorte) oder 400 € für kleine Partien nicht größer als 1 ha.

Laufener Landweizen

Ullrich Schulze von der Landwirtschaftskammer NRW entwickelt unter anderem Vermarktungswege für Bier und Spirituosen aus alten Getreidesorten. Die geringeren Erträge der alten Sorten müssten natürlich mit höheren Preisen ausgeglichen werden. Bei alten Getreidesorten eigne sich vor allem die regionale Vermarktung, bei der die Besonderheiten der Sorte und die Identität des Landwirtes herausgestellt werden sollten, so Ullrich Schulze. Eine sehr erfolgreiche Vermarktung der alten Getreidesorte „Laufener Landweizen“ mit ökologischem Anbau würde in der deutsch-österreichischen Grenzregion stattfinden, wo Bauern, Müller, Bäcker, Brauer und Naturschützer eng zusammenarbeiten. Die Tagungsteilnehmer bewerteten die Zusammenarbeit mehrerer Landwirte als wichtig, um größere Mengen Getreide sortenrein in Mühlen verarbeiten lassen zu können und gemeinsam zu vermarkten.

Ertragsstabilität durch Populationen

Zum Thema „bäuerliche Sorten“ stellte Dr. Jörg Peter Baresel von der Universität Kassel einen neuen Sortentyp aus der Bio-Züchtung vor, den es bereits bei Weizen und Mais zu kaufen gibt: Populationen oder auch Evolutionsramsche sowie „Composite cross populations“ genannt. Gründe für die Entwicklung von Populationen seien, dass in den letzten Jahren die Ertragsstabilität abnehme, Resistenzen schnell überwunden würden und bei Sorten für die ökologische Landwirtschaft und für Extensivstandorte die Erträge kaum durch die Züchtung steigen würden. Eine biologische Diversifizierung mittels Fruchtfolge, Arten- oder Sortenmischungen oder Populationen werde als wichtige Antwort auf diese Probleme gesehen. Bei Populationen besitzen die einzelnen Pflanzen im Bestand unterschiedliche Eigenschaften und sind nicht wie bei klassischen Sorten gleichartig. Die Stärke der Populationen sei ihre Vielfalt, wodurch eine höhere Ertragsstabilität erzielt werden könnte durch Toleranz von Wetterschwankungen und eine geringe Anfälligkeit für Krankheiten. In Versuchen erzielten sie höhere Erträge als die reinen Liniensorten. Bei Nachbau könne eine Anpassung an den Standort erfolgen.

 

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